Samstag, 21. Juli 2012

Beschneidung

Mit oder ohne - das ist hier die Frage
Die Diskussion um die Rechtmässigkeit der Beschneidung trägt alle pathologischen Symptome, die öffentliche Diskussionen in Deutschland regelmässig annehmen, wenn das Thema "Religion" oder "Weltanschauung" tangiert sind.

Mal vorab: ich halte die rituelle Beschneidung von Knaben für überflüssig, wie die meisten rituellen Vorschriften von Religionen. Das liegt daran, dass wir zuhause Christen sind: unser Sohn ist nicht beschnitten, wir essen Schweinefleisch, achten nicht auf die Trennung von Fleischigem und Milchigem, Frau und Töchter gehen zyklusunabhängig in den Gottesdienst, etc. Für mich sind die entsprechenden Regelungen des Alten Testaments religiös überformte kulturelle Übereinkünfte, die in der Regel einen praktischen Hintergrund hatten (z.B. denjenigen der Sicherstellung von Hygiene oder der Abgrenzung von religiösen Praktiken anderer Bevölkerungsgruppen). Um dies im 21. Jahrhundert für einen unumgänglichen Willen Gottes zu halten, muss man meines Erachtens ein Problem mit dem Zueinander von Religion und Vernunft haben - um es einmal zurückhaltend zu formulieren. Aber das ist nur meine Privatmeinung. Grundsätzlich achte ich die religiösen Gewohnheiten anderer Menschen - und seien sie noch so skurril.

Nun kann man sich der ganzen Beschneidungs-Causa juristisch nähern und dann landet man natürlich prompt bei den "Menschenrechten" - darunter tun gerade wir Deutschen es nicht. Es gibt für uns eigentlich gar keine Frage, die man nicht auf dieser Ebene diskutieren könnte, ja geradezu müsste. Heraus kommen dann kluge Artikel, wie der von Bettina Röhl im SPIEGEL: "Plädoyer für das Grundgesetz". Man merkt gleich: es geht ums Ganze! Zunächst muss die Angelegenheit angesichts der Bemühungen des Bundestages, sie auf dem kleinen, gesetzgeberischen Dienstweg aus der Welt zu schaffen, erst einmal auf das richtige Niveau ("Grundgesetz"!) gehoben werden:
Der Bundestag könnte allerdings zu viel versprochen haben, wenn er Abhilfe mit einem einfachen Gesetz in Aussicht stellt. Denn es könnte, wenn die Beschneidung nicht nur gegen ein Strafgesetz, sondern unmittelbar gegen das Grundgesetz verstieße, einer nicht ganz unproblematischen Verfassungsänderung bedürfen.
Geht's noch? Die Beschneidung soll unmittelbar gegen das Grundgesetz verstossen, wenn ein entsprechendes Gesetz sie erlaubt? Ist die Dame des Lesens mächtig? Artikel 2 des Grundgesetzes - und nur auf diesen könnte man sich ja berufen - lautet:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Aber lassen wir Frau Bettina Röhr ruhig weiter die Grundrechte abwägen. Letztlich krankt die ganze Diskussion an der Einordnung der Beschneidung in die Kategorien "körperliche Schädigung" oder gar "Verstümmelung". Das ist aber offensichtlich Unfug. Was Eltern tun, die ihren Sohn beschneiden lassen, ist schlicht die Wahl einer Option:
  1. Penis mit Vorhaut
  2. Penis ohne Vorhaut
Für beide Optionen gibt es gute Gründe und beiden Optionen ist eines gemeinsam: die beiden Hauptfunktionen des entsprechenden Organs können ohne Einschränkungen ausgeübt werden. Also nichts mit  "Verstümmelung" und nichts mit "körperlicher Schädigung".

Eltern dürfen ihrem Sohn auch die Ohren etwas näher an den Kopf rücken lassen, wenn sie sie für "abstehend" halten. So manche Mutti lässt dem Töchterchen im zarten Alter bereits Löcher für Ohrringe stechen. Kein Problem, weil der Eingriff nicht übermässig riskant ist und die Ohren weiterhin prima funktionieren.

Niemand käme auf die Idee, in diesen Fällen von Menschenrechten zu schwafeln oder die Berechtigung der Eltern in Zweifel zu ziehen, in dieser Weise Entscheidungen für das Kind zu treffen.

Also, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger: einfach Luft ab- und die Kirche im Dorf lassen. 







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