Am vergangenen Freitag hat die Deutsche Bischofskonferenz
die statistischen Eckdaten für das Jahr 2013 veröffentlicht. Sowohl die
innerkirchliche als auch die allgemein-mediale Kommentierung dieser Statistik
hebt fast ausschließlich auf die Entwicklung der Kirchenaustritte ab, die von
118.335 im Jahr 2012 auf 178.805 gestiegen sind.
Die Fixierung auf die Zahl der Kirchenaustritte als
Gradmesser für die Lage der katholischen Kirche in Deutschland trägt dabei
absurde Züge: Von den nominell 24,3 Millionen Katholiken in Deutschland haben
im vergangenen Jahr 0,73 % ihren Austritt aus der Gemeinschaft der
Kirchensteuerzahler erklärt. Das sind
0,24% mehr als im Vorjahr. Ähnliche Ausschläge (wir sprechen über den
Promillebereich!) entstanden z.B. im Jahr 1992 als Reaktion auf die Einführung
des Solidaritätszuschlags, einem von kirchlichen Entwicklungen völlig
unabhängigen Faktor.
Religionssoziologisch ist der Kirchenaustritt der letzte
Schritt von Menschen, die bereits seit längerem in großer Distanz zur Kirche
leben. Über den Sitz des Christentums oder gar der Kirche im Leben dieser
Menschen sagt die Beendigung der formalen Kirchenmitgliedschaft kaum noch etwas
aus, erst recht nicht über Qualität und Quantität des kirchlichen Lebens in
Deutschland.
Umso befremdlicher ist es, wenn in der offiziellen
Kommentierung durch den DBK-Vorsitzenden die Entwicklung der Austritte
breitesten Raum einnimmt und ein aus diesen Zahlen vermeintlich ablesbarer
„Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust“ in den Mittelpunkt der Analyse
gerückt wird. Mit anderen Worten: wir müssen eben in Zukunft solche Dinge wie
in Limburg vermeiden (was für sich natürlich keine schlechte Idee ist).
Etwas verständlicher wird die Konzentration auf die
Austrittszahlen, wenn man entdeckt, dass es sich dabei um eine reine Vertuschungsmaßnahme
handelt. Die eigentliche Bombe der jüngsten Statistik liegt nämlich in der
Tatsache, dass der Gottesdienstbesuch im Jahr 2013 von 2.861.000 (11,8 %) auf
2.603.000 (10,8 %)gesunken ist. In einem einzigen Jahr ist die Zahl derjenigen
Katholiken, die wenigstens jeden Sonntag an der hl. Messe teilnehmen, um mehr als
250.000 gesunken, das entspricht einer Abnahme von fast 10%!
Diese Zahl ist in der Geschichte der katholischen Kirche in
Deutschland fast einmalig. Lediglich im Jahr 1976 gab es einen ähnlich
einschneidenden Rückgang (von 32,7% auf 29,5%). Die ganze Dramatik der
Entwicklung des Gottesdienstbesuchs wird deutlich, wenn man ihn in
lebensgeschichtliche Zusammenhänge stellt. Seit der Geburt unseres jüngsten
Sohnes im Jahr 2000 ist die Zahl der Sonntagskirchgänger um 1,8 Millionen
gesunken, seit der Geburt unserer ältesten Tochter im Jahre 1990 um fast 3,6 Millionen.
In einer Spanne von nicht einmal einer Generation haben also weit mehr Menschen
der hl. Messe den Rücken gekehrt als ihr heute noch jeden Sonntag beiwohnen!
Auf die Zukunft hin formuliert: nach menschlichem Ermessen
werden nach weiteren 25-30 Jahren einer solchen Entwicklung in den deutschen
Pfarrkirchen die letzten Unbeirrbaren am Sonntag ihr sprichwörtliches „Liebster
Jesus, wir sind vier“ singen.
Kontrastieren wir mit der Dramatik dieser Entwicklungen den
zugehörigen offiziellen Kommentar von Kardinal Marx: „Im Übrigen stelle ich
fest, dass zwar der Gottesdienstbesuch im Durchschnitt abgenommen hat, aber
durchaus auch zunimmt an bestimmten Tagen, wie mir Pfarrer etwa im Rückblick
auf die Ostertage und Fronleichnam berichtet haben und wie ich es selbst erlebe“.
Es standen also zumindest gefühlt ein paar mehr Leute während der
Fronleichnamsprozession an der Münchner Ludwigstraße – na, dann ist ja alles
nicht so schlimm.
Man kann und wird nun sicher einwenden, dass der
sonntägliche Messbesuch nicht das einzige Kriterium für Wohl und Wehe der
Kirche in Deutschland sei. Die „Fixierung“ auf die Messe ist in solcher Lesart
Ausdruck eines überkommen-traditionalistischen Kirchenbildes. Dem ist
entgegenzuhalten, dass die Hl. Messe nicht irgendeine unter vielen Möglichkeiten
christ-katholischer Lebensvollzüge ist. Sie ist nach Auskunft des 2. Vatikanischen
Konzils „Höhepunkt und Quelle“ allen kirchlichen Tuns.
Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, wie fatal die
falschen Schlüsse sind, die die Kirche aus den statistischen Zahlen
offensichtlich zu ziehen entschlossen ist. Nichts Gutes wird man auf jeden Fall
erwarten können, wenn Kardinal Marx in abgedroschenstem Manager- und
Politiker-Slang verkündet, dass man sich angesichts der Zahlen fragen werde,
„wie wir uns jetzt und künftig neu aufstellen müssen, damit das Evangelium
weiterhin gehört und gelebt werden kann“.
Wenn die Kirche weiterhin mit weltlich-weltfremden Blick auf
ihre Außenwirkung schaut, anstatt sich selbst von ihrem Kern (der „Quelle“) her
zu verstehen, wird alle Liebesmüh vergebens sein. Wenn man – um ein letztes Mal
den Erzbischof von München und Freising zu zitieren – versucht, „auf allen
Ebenen Vertrauen zu schaffen durch gute und überzeugende Arbeit“, ohne sich zu
fragen, was an dieser Arbeit denn „gut“ und „überzeugend“ sein soll, wenn sie
nicht aus der lebendigen Begegnung mit dem Herrn in der Feier seiner
Geheimnisse entspringt, dann stehen die Dinge auf dem Kopf und man kämpft mit
den sprichwörtlichen „Windmühlen“, was bekanntlich – auch in den Augen der Welt
– ein ziemlich jämmerliches Bild abgibt.
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Dieser Beitrag ist auch bei kath.net erschienen.
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