Der folgende Beitrag ist heute bei kath.net erschienen:
Die Ereignisse im Bistum Limburg und zuvörderst das aus dem
Ruder gelaufene Bauprojekt „Haus der Bischöfe / Diözesanes Zentrum“ bewegen nun
seit geraumer Zeit die Republik, auch wenn im Augenblick eine gewisse
„Windstille“ zumindest in den meinungsführenden Medien eingetreten zu sein
scheint.
Nach der zunächst von unnachprüfbaren Berichten und
Gerüchten getriebenen ersten Phase in der letzten Woche, schien sich mit der
Veröffentlichung wesentlicher Dokumente in der FAS am vergangenen Wochenende
(begleitet von, in einen Artikel gekleideten, Wortmeldungen einiger zentral
Beteiligter) ein relativ klares Bild abzuzeichnen: der Bischof von Limburg hat
zielgerichtet an der Öffentlichkeit und seiner Diözesanverwaltung vorbei mehr
oder weniger im Alleingang die Kosten für das Bauvorhaben je nach Lesart auf
das Fünf- oder gar Zehnfache getrieben. Alleine seine Privatwohnung hat
ausweislich der veröffentlichten Kostenaufstellung fast 3 Millionen Euro
verschlungen. Größenwahn, ein monströses Lügengebäude, Verstoß gegen das
Kirchenrecht (5 Millionen-Meldepflicht), Untreue im strafrechtlichen Sinn. Es
war Zeit zum Handeln.
Durch die sukzessive Veröffentlichung weiterer Dokumente in
dieser Woche, im wesentlichen der Sitzungsprotokolle des
Vermögensverwaltungsrates des Bischöflichen Stuhls, hat sich das Bild noch
einmal deutlich erweitert: Wenn die Dokumente authentisch sind (und bisher gibt
es für einen Zweifel hieran keinen wirklichen Anhaltspunkt), kann von einer
erheblichen Mitschuld der Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates ausgegangen
werden. Sie waren keineswegs so unverschuldet unwissend, wie dies Hr. Riebel in
seinen diversen Einlassungen dargestellt hat.
Da sich der Bischof von Limburg in Rom befindet und man
allgemein auf eine Entscheidung des Papstes oder mindestens der
Bischofskongregation wartet, hat sich eine gewisse Zurückhaltung in der
Bewertung breit gemacht. Angesichts der mehrfachen Wendungen, die die
Angelegenheit in recht kurzer Zeit genommen hat, ist dies sehr verständlich.
Dennoch ist eine Sichtung des derzeitigen Sachstands für die Frage möglicher
Optionen für die nähere Zukunft eigentlich unabdingbar.
Betrachten wir also einige Aspekte des ganzen Falls auf der
Basis des derzeitigen Informationsstandes.
Kostenexplosion
Der zumindest in groben Zügen sichtbar gewordene Verlauf der
Planungen und der Durchführung des Bauvorhabens lässt das Thema in einem
anderen Licht erscheinen als dies auch heute noch in den Medien dargestellt
wird. Die Verantwortlichen sind zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass der
nun realisierte Entwurf 5,5 Millionen Euro kosten würde. Die Sitzungsprotokolle
legen nahe, dass die sich Abschätzung der Gesamtsumme bereits 2011 auf
mindestens 17 Millionen belief, evtl. auch bereits in Richtung der jetzt im
Raum stehenden ca. 31 Millionen ging. Das ist sehr viel Geld für relativ wenig
Quadratmeter, aber der vielfach verbreitete Eindruck, die Sonderwünsche des Bischofs
hätten die ursprüngliche Planung auf das 5-6-fache getrieben, ist schlicht
falsch.
Über die Sinnhaftigkeit des nun realisierten Konzeptes einer
kostenträchtigen Verbindung aufwändig restaurierter historischer Bausubstanz
mit einem wertigen modernen Neubau unter der Maßgabe eines hohen künstlerischen
Anspruchs sowohl für die einzelnen Gewerke als auch den Gesamtkomplex kann man
trefflich streiten. Es sei zumindest erwähnt, dass ein teilweise vergleichbares
Bauprojekt des Bistums Eichstätt (der renovative Ausbau von Schloss Hirschberg
zu einem Bildungshaus) bereits vor 30 Jahren mehr als 25 Millionen Euro
gekostet hat (z. Zt. laufen dort weitere Ausbauarbeiten, die auf 4,2 Millionen
Euro geschätzt sind). Vergleichbar sind die Vorhaben auch deshalb, weil der
seinerzeitige Eichstätter Diözesanbaumeister auch an der Planung in Limburg
beteiligt war. Dass die Kirche bei Bauarbeiten in historischem Bestand und an
exponierten Stellen im Sinne der Wahrnehmung kulturellen Verantwortung klotzt
und nicht kleckert, war zumindest bis vor kurzem noch allgemeiner Konsens.
Das Argument, dass dies in Zeiten des armen Papstes
Franziskus nicht mehr gehe, ist schon deshalb unsinnig, weil das Limburger
Bauvorhaben weit vor dessen Amtsantritt begonnen wurde. Auch Franziskus wohnt
übrigens in einem gediegen eingerichteten (Fast-)Neubau im Kontext eines
durchaus beeindruckenden historischen Ensembles.
Verschwendung
2,92 Millionen Euro alleine für die Bischofswohnung, weitere
350.000 Euro für deren Innenausstattung – alleine diese Zahl, die der
vorläufigen Kostenrechnung des Architekten entnommen werden kann, scheint den
Bischof von Limburg zu richten.
Auch an dieser Stelle muss zu großer Vorsicht gemahnt
werden. Keiner der Medienvertreter, die aus der Kostenaufstellung zitieren,
scheint bisher bemerkt zu haben, dass die Zuordnung der Kosten zu den einzelnen
Baubereichen nach einem fixen Kostenschlüssel
erfolgte (für den Komplex „Bischofswohnung“ ca. 17 % bei den Bauarbeiten und
ca. 31% bei der Innenausstattung). Rückschlüsse auf die tatsächlich für die
eigentliche Bischofswohnung verwendeten Mittel lassen sich aus der Aufstellung
also keineswegs gewinnen.
Das ändert nichts an den Gesamtkosten, ist für die
moralische Bewertung des Bischofs als Bauherrn aber von erheblicher
Bedeutung. Das eine ist es, 31 Millionen
Euro in ein diözesanes Bauwerk investiert zu haben - etwas ganz anderes, für
die eigene Privatwohnung mehr als 3 Millionen Euro verschwendet zu haben. Über
das erstere kann man wahrscheinlich streiten, das letztere ist für einen
Bischof der katholischen Kirche (zumal im Jahr 2013) ein Unding.
Veruntreuung
Gegen den Bischof von Limburg wurden mehrere Anzeigen wegen
Untreue erstattet. Für eine juristische Bewertung dieser Frage ist es sicher
noch zu früh. Auf dem Informationsstand vom Wochenende hätte man mit einiger
Sicherheit davon ausgehen müssen, Bischof Tebartz-van-Elst habe gute
Aussichten, Gefangenenseelsorge „von der anderen Seite“ zu erleben. Die in den
letzten Tagen veröffentlichten Dokumente und der sich aus ihnen ergebene
Eindruck, dass der Vermögensverwaltungsrat alle wesentlichen Ausgabenentscheidungen
gebilligt hat, zwingen auch in dieser Frage zu mehr Zurückhaltung.
Lügen
Dies ist der bedrückendste Punkt der Analyse. Nach
gegenwärtigem Sachstand scheint fast kein Zweifel möglich zu sein, dass der
Bischof von Limburg (wenn auch nicht als Einziger) die Öffentlichkeit und vor
allem die ihm anvertrauten Gläubigen bewusst über die Kosten des Bauvorhabens
getäuscht hat. Erschwerend kommt hinzu, dass auch in der Frage der
Eidesstattlichen Erklärung bzgl. der Flugtickets die frei zugänglichen Dokumente
und Materialien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beweisen, dass
er vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat.
Dieser Punkt wiegt schwer und man kann sich eigentlich nicht
vorstellen, wie der Bischof sein Amt weiter ausüben können sollte. Das ist
keine Frage des Verzeihens und der Barmherzigkeit, sondern der moralischen
Autorität. Wie soll ein „öffentlicher Lügner“ – ganz unabhängig von einer
möglicherweise erfolgenden ebenso öffentlichen Reue – den christlichen
Grundwert der Wahrhaftigkeit auch nur halbwegs glaubhaft verkündigen? Vom
Anspruch auf eine auch in diesem Punkt vorbildhafte Lebensführung wird man
einen Bischof nicht dispensieren können.
Wie kann es weitergehen?
Daniel Deckers hat dieser Tage in der FAZ völlig zurecht
darauf hingewiesen, dass man sich einen schnellen Rücktritt des Bischofs
eigentlich nicht wünschen kann. Rücktritte sind oft nur eine andere Form der
Vertuschung. Der „Fall Limburg“ bedarf aber ganz im Gegenteil einer umfassenden
Aufklärung: der Rolle des Bischofs, aber auch der Rolle vieler anderer
Beteiligter, schließlich auch des Systems, das ihn ermöglicht hat. Es ist
freilich abzuwarten, ob der Bischof selbst und ganz persönlich einer
umfassenden Aufarbeitung über einen längeren Zeitraum gewachsen ist. Jeder, der
bereit ist, einen Schritt zurückzutreten, sollte sich ausmalen können, was es
für die Psyche eines Menschen bedeutet, in dieser Weise Gegenstand eines
öffentlichen Skandals zu sein.
Wie die Zukunft des Bischofs aussehen könnte, hängt von
vielen Faktoren ab. Man würde sich wünschen, dass ein authentisch christlicher
Weg gefunden wird. Eine in echter innerer Freiheit angenommene „Degradierung“ und
eine neue Aufgabe als Pfarrer oder Krankenhausseelsorger könnte – je nach
Ausgang aller noch ausstehenden Prüfungen – ein solcher Weg sein.
Bezüglich der Nachfolgeregelung für
den Bischof könnte angesichts des Aufklärungsbedarfs auch in der Bistumsleitung
unterhalb des Bischofs und der Tatsache, dass Rom mit dem Fall Limburg zur Zeit
ohnehin stark befasst ist, wäre wohl die Bestellung eines Koadjutors eine gute
Lösung.
Auch wenn die Wellen der öffentlichen Anteilnahme und
Empörung weiterhin hochschlagen: die katholische Kirche in Deutschland hat die
Möglichkeit, den „Fall Limburg“ gut abzuschließen. Hierzu gehört eine
umfassende Aufklärung, die Ableitung angemessener Maßnahmen (wohl nicht nur im
Bistum Limburg) und ein dem christlichen Menschenbild gerecht werdender Umgang
mit Franz-Peter Tebartz-van-Elst. Dass sie zu einem solchen, durchaus
vorbildlichen Krisen-Management in der Lage ist, hat die deutsche Kirche
bereits in der Aufarbeitung des Missbrauchskandals gezeigt.
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