Freitag, 4. April 2014

In die Tiefe gehen - der neue Bischof von Passau

kath.net hat heute freundlicherweise den folgenden Kommentar übernommen:


PAter Oster bei der heutigen Pressekonferenz
im Barocksaal des Klosters Benediktbeuern
Nachdem einschlägige Gerüchte sich seit Monaten verdichtet hatten, ist die Ernennung des Benediktbeurer Salesianerpaters Stefan Oster zum neuen Bischof von Passau heute offiziell bekannt gegeben worden. Die gut 18-monatige Vakanz des Passauer Bischofsstuhls geht damit am 24. Mai dieses Jahres endlich zu Ende und es ist zu hoffen, dass nicht alle der zahlreichen ausstehenden Neubesetzungen in deutschen Bistümern so viel Zeit benötigen.

Man kann es aber auch anders herum sehen: Wenn am Ende ein so gutes Ergebnis steht, darf die Suche nach einem neuen Bischof für ein „verwaistes“ Bistum auch gerne etwas länger dauern. Denn Passau erhält einen Oberhirten, der ein offen auf die Menschen zugehender Seelsorger, ein theologisch tiefer Denker und nicht zuletzt ein begeisternder Verkündiger des Wortes Gottes ist.


Die Wahl von Stefan Oster zum Bischof der Diözese Passau fällt dabei in vielerlei Hinsicht aus dem üblichen Rahmen. Er hat sich nicht über Jahre hinweg in einem diözesanen Apparat „hochgedient“, in seinem Orden bisher keine Führungsposition eingenommen und auch keine klassische Universitätslaufbahn durchlaufen. Dennoch (oder gerade deswegen?) haben sich viele Menschen, die ihm als Seelsorger begegnet sind, wahrscheinlich schon einmal gedacht: „So einen hätten wir gerne als Bischof“.

Der Lebenslauf des heute 48-jährigen Ambergers ist der eines „Spätberufenen“. Nach dem Abitur hat er zunächst eine Ausbildung zum Zeitungs- und Hörfunkredakteur absolviert und in diesem Beruf einige Jahre gearbeitet. Von 1988 bis 1994 studierte Oster dann Philosophie, Geschichte und Religionswissenschaft in Regensburg, Kiel und Oxford. Erst im Alter von 30 Jahren trat er 1995 in den Orden der Salesianer Don Boscos ein, absolvierte sein Theologiestudium in Benediktbeuern und wurde dort 2001 zum Priester geweiht.

2003 folgte die Promotion mit einer Arbeit über seinen Regensburger Lehrer Ferdinand Ulrich, für die er u.a. mit dem Albertus-Magnus-Preis der Diözese Augsburg ausgezeichnet wurde. Parallel zur Dozententätigkeit an der Ordenshochschule in Benediktbeuern arbeitete er – betreut vom heutigen Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer - an seiner dogmatischen Habilitation, die 2009 an der Universität Trier erfolgte. Die Professur für Dogmatik und Dogmengeschichte, die ihm anschließend übertragen wurde, endete 2013 mit der Einstellung des Lehrbetriebs der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuern.

Bei der heutigen Pressekonferenz in Benediktbeuern betonte Pater Oster, dass ihm der Wechsel in das Bischofsamt nicht leicht fällt: „Es ist sicherlich mit der Aufgabe vieler persönlicher Freiheiten verbunden. Mal schnell mit Studenten ein Bier trinken gehen – das ist wohl vorbei“. Gleichzeitig sei der neue Dienst, den er unter den Wahlspruch „Victoria veritatis caritas“ (Der Sieg der Wahrheit ist die Liebe) stellt, die Radikalisierung und Vertiefung seiner ursprünglichen Berufung: „Ich habe einmal gesagt: Ja, Herr, für Dich, mein Leben!“.

„In die Tiefe gehen“ – das ist zunächst das Leitmotiv des geistig-geistlichen Weges von Stefan Oster. Die erste Stufe dieser Bewegung stellte die Hinwendung zum Philosophiestudium dar. So sehr ihm, den man mit gutem Recht einen „spekulativen Kopf“ nennen kann, dieses Studium entsprach, konnte es doch nicht alle seine existentiellen Fragen beantworten. Daher folgte dieser ersten Annäherung die zweite Stufe, die Hinwendung zum Ordensstand. Dass er sich dabei für den Orden des Hl. Johannes Bosco entschied, ist Ausdruck seiner Begeisterung für das besondere Charisma dieses Ordens: die Jugendpastoral.

„In die Tiefe gehen“ – so kann man auch die Jugendarbeit des neuen Bischofs auf einen Nenner bringen. Vor zwei Jahren rief er in Benediktbeuern „God for You(th)“ ins Leben und in kurzer Zeit fand sich eine Gruppe von mehr als 50 Jugendlichen zusammen, die sich jeden Sonntagabend zu Lobpreis und Katechese trifft. Eher charismatisch ausgerichtete Gebetsformen kombinieren sich dabei mit theologisch anspruchsvollen Gesprächen rund um Themen des christlichen Glaubens und Lebens. Ein wichtiger geistlicher Impuls für das religiöse Leben in und um das Benediktbeurer Klosterdorf sind die mehrmals im Jahr von der Gruppe getragenen „24*7“-Gebete, bei denen eine ganze Woche rund um die Uhr Anbetung gehalten wird.

„In die Tiefe gehen“ – das ist gleichzeitig eine treffende Charakterisierung des Theologen Stefan Oster. Nicht umsonst hat er sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit intensiv mit Ferdinand Ulrich auseinandergesetzt, dem in seiner Bedeutung und Wirkung oft unterschätzen Regensburger Religionsphilosophen (kein Geringerer als Hans Urs von Balthasar hat Ulrich als einen der bedeutendsten Denker an der Schnittstelle von Philosophie und Theologie im 20. Jahrhundert gewürdigt). „Homo abyssus“ – der abgründige Mensch – lautet der Titel des Hauptwerks von Ferdinand Ulrich, in dem es nicht um die „Abgründe des Menschen“ im üblichen Sinne geht, sondern um die Tatsache, dass der Mensch bei der existentiell-denkerischen Erkundung seiner Tiefenstruktur sich selbst als geschöpfliches Sein und damit als Ausdruck und Wirkung der personalen Liebe des dreifaltigen Gottes entdeckt.

„In die Tiefe gehen“ – das könnte schließlich auch das Motto eines Bischofs für die heutige Zeit und die konkrete Situation der Kirche in dieser Zeit sein. Die gemeinsame Vertiefung des Glaubens und des kirchlichen Lebens ist die Voraussetzung nicht nur für die von Papst Franziskus betonte „Freude des Evangeliums“, sondern auch für die Überwindung der vielfach oberflächlichen, das öffentliche Erscheinungsbild der Kirche prägenden Streitigkeiten um bestenfalls vorletzte Fragen. Stefan Oster weiß nicht zuletzt aus seiner Erfahrung als Jugendseelsorger, dass die scheinbar unüberbrückbaren Gegensätze zwischen innerkirchlichen „Richtungen“ dort überwunden werden können, wo wirkliche und tiefe Begegnung mit Jesus Christus ermöglicht wird.

„In die Tiefe gehen“ – das ist also letztlich dem neuen Bischof, seinem Bistum und der ganzen Kirche zu wünschen.


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