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Wertediskussion ... |
In der Diskussion des Papiers des Zentralkomitees der
Deutschen Katholiken zu Ehe und Familie („Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken
bauen“) dominieren die darin erhobenen konkreten Forderungen. Das ist
angesichts des Inhalts dieser Forderungen und ihres Kontrasts zur 2000-jährigen
Lehre und Praxis der Kirche sehr verständlich.
Wer sich mit dem Text etwas intensiver beschäftigt, wird die
eigentliche Dramatik des Papiers aber vielleicht weniger in den konkreten
Forderungen sehen (diese sind ja zumindest als Erwartung der gesellschaftlichen
Umwelt an die Kirche seit langem bekannt und haben fast den Charakter von
Stereotypen), sondern in der Art und Weise, wie sie begründet werden.
Versuchen wir den Gedankengang des ZdK-Papiers
nachzuvollziehen. Die sakramentale Ehe ist nach diesen Überlegungen eine
spezielle Form einer festen und verbindlichen Partnerschaft zwischen zwei
Menschen: durch die kirchliche Eheschließung dürfen sich die Eheleute von Gott
gestärkt und getragen fühlen für die und in den Herausforderungen ihres
gemeinsamen Lebens.
Wesentlich für jede auf Liebe gegründete Partnerschaft ist
ein Set an Werten, z.B. Würde, Treue, Verlässlichkeit, Solidarität und
Übernahme von Verantwortung. Überall dort, wo diese Werte gelebt werden,
verdienen die Beteiligten und die Form der Partnerschaft Wertschätzung durch
die Gesellschaft und Anerkennung durch die Kirche. Für Letztere heißt dies in
der Konsequenz, liturgische Formen zu finden, um diese Anerkennung auch konkret
auszusprechen.
Auf den ersten Blick mag der vorgetragene Grundgedanke
ansprechend klingen – mit Christentum hat das Ganze freilich wenig zu tun. Die
sakramentale Eheschließung ist keine Wertschätzung oder Anerkennung der in der
Partnerschaft der Brautleute gelebten „Werte“ durch die Kirche. Sie ist
überhaupt keine Bestätigung etwas bereits Bestehenden, sondern sie ist
Gründung, radikaler Anfang eines gemeinsamen Weges.
„Nun ja“, könnte man einwenden, „aber die Liebe muss doch
schon da sein, um eine Ehe schließen zu können“. Auch hier ist zu widersprechen,
wenn damit das Zueinander-Hingezogensein der Brautleute gemeint ist. Die Liebe,
die am Beginn einer christlichen Ehe da sein muss, ist die Liebe zu Jesus
Christus, auf dessen „Vorleistung“ hin und in dessen Nachfolge dann die
eheliche Liebe wachsen kann, soll und wird.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die sakramentale
Ehe nicht eine besondere Form von irgendetwas sein kann, das es auch in vielen
anderen Formen gibt. Ganz im Gegenteil: Schon in der natürlichen Ordnung der
Schöpfung und in besonderer Weise im in Jesus Christus angebrochenen Reich
Gottes ist die sakramentale Ehe die Form schlechthin für den fruchtbaren
Lebensbund zwischen Mann und Frau („Ich bin gekommen damit sie das Leben haben,
und es in Fülle haben“) . Sie ist es so total und exklusiv, dass sie den ganzen
Raum möglicher Partnerschaft zwischen Mann und Frau ausfüllt: außerhalb ihrer
ist eine solche Partnerschaft der Geschlechter nicht möglich, ohne als Ablehnung
der göttlichen Ordnung und der Verheißung Jesu sündhaft zu sein.
Aus dem Gesagten erhellt nun auch, warum man zwar Haltungen
benennen kann, die dem Eheleben zuträglich sind, diese aber keine „Kriterien“
darstellen, um weitere „Formen“ von Partnerschaft zu qualifizieren. Die
sakramentale Ehe von Mann und Frau ist der schlechthinnige Ort geschlechtlicher
Partnerschaft. Die Haltungen (altmodisch: Tugenden), die das Wachstum dieser
Partnerschaft fördern, unterscheiden sich nicht von den Tugenden, die jeder
Reifung von Personen und dem Gelingen ihrer Beziehungen zuträglich sind.
Die Kirche kann also Solidarität, Treue, Verlässlichkeit,
etc. als Tugenden von Menschen, die in einer freundschaftlichen Beziehung zueinander
stehen, würdigen. Leben diese aber in einer geschlechtlichen Partnerschaft,
ändern diese Tugenden nichts am Charakter der Partnerschaft selbst (und sie
„neutralisieren“ auch nicht die sich darin manifestierende Sünde der
beteiligten Personen).
Es sind aber nicht nur die Gedankengänge des Papiers, die
eine kaum noch überbrückbare Distanz zum christlichen Verständnis der Ehe
artikulieren. Ebenso verfehlt und in der Wirkung wohl noch schädlicher ist das
„Sprachspiel“, in der es abgefasst ist.
Analysiert man diese Sprache, so fällt sofort der
inflationäre Gebrauch des Begriffs „Wert“ auf. Unbeschadet der Tatsache, dass
es sehr respektable Versuche der Konstruktion einer „Wertethik“ gibt, hat
dieser Begriff gerade in Zeiten der Vorherrschaft der Ökonomie eine große
Ambivalenz. Allzu schnell wird mithilfe dieser Terminologie das „Gute“ mit dem
„Nützlichen“ verwechselt. Die Begriffe verlieren dann ihren Sinnbezug auf das
„summum bonum“. Anders ausgedrückt: Solidarität kann auch in einer Räuberbande ein
nützlicher „Wert“ sein.
Besonders deutlich wird diese Ambivalenz in der Wortprägung
„Wertschätzung“, die im deutsch-katholischen Neusprech zunehmend und
unhinterfragt als die Aufgabe der Kirche schlechthin erscheint. Kann man den
Begriff auf der individuellen Ebene durchaus richtig verstehen als ein das
personale Du des Gegenübers affirmierende Grundhaltung (warum dann aber nicht
christlich einfach von „Nächstenliebe“ sprechen?), so wird er auf der Ebene der
Kirche, die das Evangelium Jesu Christi zu verkünden hat, schlicht falsch.
Bereits ein kurzer Blick in die Evangelien wird schnell
zeigen, dass Jesus die mit „Wertschätzung“ gemeinte Haltung im Wesentlichen
fremd ist. Er lobt uns nicht dafür, dass wir schon ziemlich toll sind, sondern
stellt uns in unserer Erbärmlichkeit bloß („wenn nun ihr, die ihr böse seid,
...“). Die Liebe des Herrn, die bis ans Kreuz führt, ist keine „Liebe, weil
...“, sondern eine „Liebe, trotzdem ...“. Entsprechend ist die Kirche nicht
dazu da, den Menschen auf die Schulter zu klopfen, sondern ihnen die Frohe
Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden, das mit der täglich erneuerten Umkehr
beginnt.
Es entbehrt nicht einer gewissen Konsequenz, dass der
ZdK-Text zwar viel von „Werten“ und „Wertschätzung“ redet, aber gleichzeitig
nicht einmal mehr den Versuch macht, diese Begrifflichkeit und die eigene
Argumentation an das Wort Gottes zurückzubinden: kein Bezug auf die Hl.
Schrift, selbst die Wörter „Jesus“ oder „Jesus Christus“ tauchen nicht ein einziges
Mal auf.
Es überrascht dann wenig, dass bis auf zwei Absätze, in
denen – reichlich ungelenk – auf die Theologie des Ehesakramentes Bezug
genommen wird, auch die Lehr-Tradition der Kirche nicht zu Wort kommt. Im Gegenteil:
das ZdK-Mitglied Felix Neumann lehnt in seiner Invektive gegen Bischof Oster
auf katholisch.de Verweise auf diese Tradition ganz unverblümt als „hohl,
formal und fühllos“ (sic!) kategorisch ab.
Die Lebensvollzüge der Kirche verkommen in dieser Perspektive
zu einer Art Steinbruch, den man für seine „nützlichen“ Zwecke ausbeuten kann.
Ganz deutlich wird diese Haltung in der Forderung nach „Weiterentwicklung von
liturgischen Formen, insbesondere Segnungen gleichgeschlechtlicher
Partnerschaften, neuer Partnerschaften Geschiedener und für wichtige
Weichenstellungen im Familienleben“.
Unter den „wichtigen Weichenstellungen im Familienleben“ darf
man wohl durchaus auch „Trennungsszenarien“ verstehen, wie sie zur heutigen
„Lebenswelt“ nun einmal dazugehören. Man muss sich nur die Reaktion des
Apostels Paulus oder der frühen Gemeinden auf solche „Forderungen“ ausmalen, um
den Abgrund zu ermessen, in den man hier schaut.
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