Auf die Debatte bei Alipius hatte ich mit einem eigenen Beitrag reagiert, auf den nun wieder Damian geantwortet hat. Schön, dass das Thema auf ein gewisses Interesse stößt.
Damian freut sich über meine Feststellung, dass die "Josephsehe" nur in einer öffentlichen Form das Problem wiederverheiratet Geschiedener (sprich: ihren Ausschluss aus der Sakramentengemeinschaft) wirklich lösen könnte, ist aber arg enttäuscht, dass ich diesen Weg nicht für gangbar halte. Darüber hinaus hält der den Grundansatz, für diese Menschen eine Lösung jenseits "pastoraler Zuwendung" finden zu wollen, für verfehlt.
Beginnen wir mit dem Letzteren: Das kirchliche Recht hat Analogien zum staatlichen Recht, aber auch wesentliche Unterschiede. So ist die kirchliche Gemeinschaft nicht zunächst und vor allem Rechtsgemeinschaft (wie der Staat), sondern Liebesgemeinschaft. Von daher stehen Sanktionen unter einem ganz anderen Rechtfertigungsdruck als dies im Staat der Fall ist. Ich habe mir an keiner Stelle die Rede von der "Unbarmherzigkeit" der Kirche in Bezug auf die wiederverheirateten Geschiedenen zueigen gemacht. Wenn eine große Zahl von Menschen, denen die Kirche zumindest zu Teilen eine gute Absicht und einen Willen zur kirchlichen Gemeinschaft unterstellen muss, in einen irregulären Zustand gerät, dann wird sich diese Kirche aber aufgerufen fühlen, nach wirklicher Abhilfe zu suchen. Um ein aktuelles Beispiel anzuführen: auch den vier Bischöfen der Piusbruderschaft und allen ihren Anhängern versucht die Kirche ja gerade, aus einer solchen irregulären Situation herauszuhelfen. Dies hat mit einer falschen Auflösung der "Spannung zwischen der Berufung zur Vollkommenheit und unserer sündhaften Schwäche" nichts zu tun.
Damians Kritik an meiner Einschätzung der Josephsehe muss ich deutlich widersprechen. Seine Rede von "romantischer Zuneigung" empfinde ich fast schon als denunziatorisch. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist aus Sicht der Kirche keine "Romantik", sondern Annahme des Anderen und Hingabe an ihn. Auf dieser Annahme/Hingabe gründet die Lebensgemeinschaft. Die Sexualität spielt hierbei keineswegs - wie Damian unterstellt - eine (trieb-)"befriedigende" Rolle, sondern sie ist Vollzug dieser Liebe. Wie die meisten wissen, ist dieser Vollzug nach traditioneller kirchlicher Ehelehre konstitutiv für die Entstehung des Ehebandes, d.h. erst die vollzogene Ehe ist wirkliches Abbild der Beziehung zwischen Christus und seiner Kirche. Auch das kirchliche Recht trägt diesem Tatbestand Rechnung, indem die Unfähigkeit zum Vollzug des ehelichen Aktes ein Ehehindernis darstellt, Unfruchtbarkeit z.B. aber nicht. Der Verzicht auf diesen Vollzug ist nicht vergleichbar mit der Enthaltsamkeit von Verlobten, wie Damian fälschlicherweise meint. Diese leben noch nicht in einer solchen Liebes- und Lebensgemeinschaft.
Die "öffentliche Josephsehe" leidet als Konstrukt also an vielen Stellen: Vor allem ist sie im kirchlichen Verständnis eben keine Ehe im eigentlichen Sinne. In der konkreten Situation wiederverheiratet Geschiedener könnte sie darüber hinaus leicht als Unterlaufung des eigentlichen Problems missbraucht werden. Durch die öffentliche Erklärung der "Josephsehe" wäre der Ausschluss von den Sakramenten aufgehoben und jeder dann doch erfolgende eheliche Akt wäre dann "nur" eine beichtbare Sünde.
Langer Rede, kurzer Sinn: Ich kann nicht behaupten, dass mich Damians Ausführungen von meiner Einschätzung abbringen könnten, dass die "Josephsehe" nicht die Lösung des Problems sein kann - würde mich aber freuen, wenn der eine oder andere meinen eigentlichen Vorschlag kommentieren würde.
Kommentar Teil 1 wegen Überlänge
AntwortenLöschenDu hast mich so verstanden, als halte ich „den Grundansatz, für diese Menschen eine Lösung jenseits ‚pastoraler Zuwendung‘ finden zu wollen, für verfehlt“. Das war nicht meine Aussageabsicht. Ich hatte mich in diesem Zusammenhang der Suche nach möglichen kirchenrechtlichen Änderungen zunächst an dem Terminus „helfen“ gestört, da er in meinen Augen in diesem Zusammenhang unpassend erschien. Den Begriff assoziierte ich zudem noch mit dem in der Diskussion oft vorgebrachten und noch unpassenderen Begriff der „Barmherzigkeit“, den Du ja nicht verwendet hast. In der Gesetzgebung handelt es sich doch in der Regel um die Herstellung von Gerechtigkeit. Dass ich recht apodiktisch die nötige Aufrechterhaltung der Spannung zwischen hoher Berufung und Schwäche des Sünders betont habe, bedeutet nicht, dass ich mögliche kirchenrechtliche Erleichterungen grundsätzlich ablehnen würde. Vielmehr habe ich jenen Sachverhalt anders ausdrücken wollen, den du mit „Auf der Grundlage der kirchlichen Sakramentenlehre ist dies eigentlich nicht möglich“ beschrieben hast. Ich sehe uns an diesem Punkt nicht so weit auseinander. Dagegen glaube ich nicht, dass der Charakter der Kirche als Liebesgemeinschaft ihre Eigenschaft als Rechtsgemeinschaft irgendwie abschwächen würde. Vielmehr halte ich auch die Existenz des (Kirchen-)Rechts für einen Ausdruck der Liebe, insofern es im Idealfall Sicherheit und Gerechtigkeit gewährleistet. Selbst Sanktionen im Kirchenrecht sind Ausdruck einer Liebe, die den Sünder auf den rechten Weg zurückführen will. Daher verstehe ich die Rede vom Rechtfertigungsdruck nicht.
Kommentar Teil 2
AntwortenLöschenZur Josephsehe
Bei der Verwendung des Begriffes „Josephsehe“ sollte geklärt werden, ob damit - wie eigentlich gemeint - eine sexuelle Enthaltsamkeit in einer gültig geschlossenen sakramentalen Ehe bezeichnet wird, oder wie in unserem hier diskutierten Thema das enge Zusammenleben von zwei sich liebenden Menschen, denen die sakramentale Ehe verschlossen ist. Eine Josephsehe im eigentlichen Sinne ist - da stimme ich dir zu - aufgrund der fehlenden körperlichen Hingabe in einem gewissen Sinne defizitär. Wir sprechen aber doch hier von der vertrackten Situation, dass sich da zwei lieben, von denen einer von beiden durch eine bestehende sakramentale Ehe anderweitig gebunden ist und von daher eine Ganzhingabe per definitionem ausgeschlossen ist. Und diese Situation habe ich vorsichtig mit „romantischer Zuneigung“ umschrieben, wo manch anderer von Ehebruch reden würde. Und da die Ganzhingabe einer sakramentalen Ehe hier ausgeschlossen ist, habe ich die Situation mit der von Verlobten verglichen. Den Ausdruck „denunziatorisch“ kenne ich nur im Zusammenhang diktatorischer Regime und verstehe ihn darum hier nicht.
Dann hast Du meinen Ausdruck „befriedigend“ wie selbstverständlich mit einem „(trieb-)“ versehen, während ich eben dieses „(trieb-)“ bewusst weggelassen habe, weil ich die eheliche Sexualität als etwas ansehe, was eine umfassende Befriedigung schenkt. Eine vollständige Beschreibung dessen, wass eheliche Sexualität ist, habe ich damit nicht versucht. Und ich muss daran erinnern, dass Du die Vorstellung aufgebracht hattest, die Kirche habe erst in den letzten 100 Jahren gelernt, „die Sexualität in der Ehe nicht nur als pflichtgemässe Regelung der zur Unordnung neigenden Triebhaftigkeit zu sehen“, sie habe zuvor also die entgegengesetzte Ansicht gehabt. Genau diese Auffassung des Ehezweckes der Regelung der Triebhaftigkeit, die du mir nun unterstellst, habe ich ausdrücklich als unkatholisch verworfen. Gegen Deine Behauptung, die Kirche habe die Sexualität in der Ehe nicht hochgeschätzt, habe ich nur erwidern wollen, dass die Kirche die Sexualität in der Ehe durchaus hochgeschätzt hat, aber eben zur Erzeugung von Nachkommen, nicht immer aber zur gegenseitigen Beglückung (oder eben etwas weniger euphemistisch Befriedigung) der Eheleute. Um mir aber diese ganzen Ausführungen zu ersparen, dachte ich, ersetze doch in Theodors Satz diesen durch jenen Ausdruck, und dann passt's. Leider ist es voll in die Hose gegangen. Ich hoffe, ich habe mich jetzt verständlicher ausgedrückt.
Trotz dieser Frustration finde ich die Diskussion äußerst spannend und bin weiter daran interessiert.
Randbemerkung als aufmerksamer Leser dieses Themas: falls ich mich nun jetzt nicht ganz irre, war kirchlicherseits die Formel, dass der eheliche Akt, in erster Linie auf die Zeugung neuen Lebens hingeordnet ist und des weiteren ein "remedium voluptatis" sei die längste Zeit quasi (moral.)theologisches Gemeingut.Des weiteren wurde noch die gegenseitige Heiligung der Ehepartner betont. Aber alles zusammen wurde abstrakt als "Ehezweck" formuliert.
AntwortenLöschenDass die Sexualität in der Ehe und ihr beglückender Charakter als positiver Aspekt gesehen wird, verdanken wir -noch sehr verhalten- erstmals Pius XII, sodann,epochal in der Kirchengeschichte dem hart errungenen Artikel 50 von Gaudium et Spes: «Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt,
sondern die Eigenart des unaufloslichen personalen Bundes und das Wohl
der Kinder fordern, dass auch die gegenseitige liebe der Gatten ihren
gebührenden Platz behalte, wachse und reife» der von Paul VI in Humanae Vitae entgegen der weitverbreiteten Voruteile weiter entfaltet und keines Falls relativiert wurde; so wirklich weiterentwickelt findet sich die vor allem personale Sicht der Ehe und der Sexualität erst in der Lehre Johannes Pauls II. Nicht umsonst entstehen seit einigen Jahren theologische Institute zur "Theologie des Leibes";
In der Praxis scheint man die Lösung bereits gefunden zu haben: Beim Friseur las ich heute in einer der ausliegenden Zeitschriften, daß eine bekannte Volsmusikerin (kenne mich da nicht so aus) nicht mehr kirchlich heiraten könne, aber dafür in Holzkirchen ihre zweite Ehe segnen lassen hat (kirchlich natürlich). Auf den Bildern war dann alles komplett: Feierlicher Gottesdienst mit Brautkleid, Ministranten und Pfarrer im Meßgewand. Wozu also noch nach Lösungen suchen?
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