Der HH. Alipius hat letzte Woche ein sehr interessantes
Posting zu diesem Thema geschrieben, das viele ebenso interessante Kommentare erzeugt hat. Wie nun umgehen mit der aufgeworfenen Frage?
Da ist zum ersten das Thema "Prävention". Sicher kann und muss man eine Ursache der heutigen Probleme in der Tatsache sehen, dass viele Katholiken schlecht vorbereitet kirchlich getraut werden. Ich muss mich nur an mein eigenes "Brautexamen" erinnern, um da heftig zu nicken. Da wimmelte es von "Eigentlich müsste ich Ihnen jetzt sagen ..." und "Eigentlich müsste ich sie jetzt fragen ...". Am Schluss dann ein "Eine Garantie, dass es gut geht, kann ich Ihnen auch nicht geben" - Prima, herzlichen Dank auch ...
Hier wird man ansetzen können und manches wird kirchlicherseits ja auch angeboten (Ehevorbereitungsseminare, etc.). Man wird aber fragen müssen, ob die Eindeutigkeit, mit der die Kirche die Sakramentenspendung an die Tatsächlichkeit eines Lebens in der Kirche und aus dem Glauben bindet, nicht viel früher ansetzen muss. Durch die Simulation von "Volkskirche" wird eine nicht geringe Zahl an Menschen mit dem ganzen Spektrum an Sakramenten(zugängen) versehen (Taufe, Erstkommunion, Firmung, Ehe), ohne jemals wirklich am kirchlichen Leben teilgenommen zu haben. Stellen diese Menschen plötzlich fest, dass ihr Leben fern der Kirche zu Konsequenzen führt, wird dies verständlicherweise als "Unbarmherzigkeit" empfunden.
Aber kommen wir zum Kern des Themas zurück: Welche Möglichkeit hat die Kirche, Menschen, die ernsthaft kirchlich leben wollen nachdem sie eine zweite Ehe eingegangen sind, zu helfen?
Die ernüchternde Antwort lautet: Auf der Grundlage der kirchlichen Sakramentenlehre ist dies eigentlich nicht möglich. Als Wirkung des sakramentalen Ehevertrages wird ein Eheband gestiftet, das sich vom "character indelebilis" anderer Sakramente nur dadurch unterscheidet, dass es nicht über den Tod hinaus wirkt. Dieses Eheband repräsentiert übernatürlich die Treue zwischen Christus und seiner Kirche und ist nicht auflösbar. Jeder sexuelle Akt mit einer anderen Person ist daher Ehebruch und eine erneute dauerhafte Verbindung Polygamie. Verschärfend kommt hinzu, dass eine zivile Wiederverheiratung ein öffentlicher Akt der Ablehnung der kirchlichen Ehelehre ist. Das ist der eigentlich Grund, warum Wiederverheiratete Geschiedene vom Sakramentenempfang dauerhaft ausgeschlossen sind.
Die Interpretation der Binde- und Lösegewalt der Kirche als Möglichkeit zur Auflösung einer gescheiterten Ehe ist eine nur theoretische Möglichkeit. Zwar gibt es diese Praxis in der Ostkirche, doch hat die römische Kirche eine konstant andere Lehre und Praxis - mit guten Gründen und (am Rande bemerkt) vielen Referenzen auch bei den griechischen Kirchenvätern. Die vom Evangelium her gegebene Deutung des Ehebandes als Abbild des Treueverhältnisses zwischen dem Herrn und seiner Kirche lässt eine solche "Lösung" einfach nicht zu.
Es bleibt also scheinbar nur der Ausweg, den auch HH. Alipius empfiehlt: die "Josephsehe", d.h. die sexuelle Enthaltsamkeit in der neuen Verbindung. Ich muss allerdings gestehen, dass mich diese Konstruktion wenig überzeugt. Hiermit wird ein Sonderfall besonderer Heiligkeit zur praktischen Norm erhoben, der einem halbwegs realistischen Blick auf die conditio humana (und dieser realistische Blick war immer ein Kennzeichen katholischer Pastoral!) nicht standhält. Ist es nicht eine wirkliche Errungenschaft der letzten 100 Jahre, dass die Kirche gelernt hat, die Sexualität in der Ehe nicht nur als pflichtgemässe Regelung der zur Unordnung neigenden Triebhaftigkeit zu sehen, sondern als echten Wert, in dem - recht verstanden und kontrolliert von der Tugend der Maßhaltung - die Liebe zwischen Mann und Frau sich erfüllt, ja, auf den sie hinzielt? Der an dieser Stelle gerne gegebene Verweis auf den Zölibat verfängt meines Erachtens nicht. Weder lebt der Zölibatär in einer Liebesbeziehung zu einer Frau, noch hat auf der Gegenseite ein Liebespaar die Standesgnade für den Zölibat. Ganz am Rande sei bemerkt, dass der "Josephsehe" von der Kirche eine öffentliche Form gegeben werden müsste, um die oben angesprochene öffentliche Abkehr von der Kirche durch die zivile Wiederverheiratung aufzuheben. Ist das alles realistisch und ein gangbarer Weg? Ich meine: Nein.
Gibt es also keine Abhilfe?
Ich habe einen schüchternen Vorschlag: Die Kirche hat immer darauf bestanden, dass sie die Gewalt besitzt, Ehehindernisse aufzustellen, d.h. Kriterien zu definieren, die Voraussetzung für die Gültigkeit einer kirchlich geschlossenen Ehe sind (seit Trient hat dieser Anspruch den Charakter eines Dogmas im strengen Sinne). Wäre es nicht denkbar, dass die Kirche einen - durch Zeugen untermauerten - Nachweis einer wirklichen kirchlichen Praxis beider Brautleute sowie eine ernsthafte Vorbereitung zur Voraussetzung für eine gültige sakramentale Eheschliessung erhebt? Wäre das nicht ein sinnvolles Ziel, dass jeder, der von der Kirche getraut wird, wirklich weiss, was dieser Schritt für sein Leben bedeutet? Könnte man von solchen Eheleuten dann nicht mit Recht die Einsicht verlangen, dass das Scheitern ihrer Verbindung ein Schicksalsschlag ist, der dann - wie so manches andere schuldlose Leid - unter Verzicht auf eine neue Verbindung in der Treue zu Christus getragen werden muss?
Als "Nebeneffekt" einer solchen Regelung könnte für eine Übergangszeit die Annullierung von Ehen "großzügiger" gehandhabt werden. Nicht als "Wegschauen und Schwamm drüber", sondern als konsequente Anwendung des rückwirkend feststellbaren, anerkannten Ehehindernisses.
Mir ist bewusst, dass auch mit einer solchen (aus meiner Sicht dogmatisch vertretbaren) Änderung in Zukunft nicht alle Arten von "Härtefällen" vermieden werden können. Andererseits scheint es mir auf der Hand zu liegen, dass die gegenwärtige Situation zu einem nicht unerheblichen Teil "hausgemacht" ist. Die Kirche täte gut daran, alles in ihren Möglichkeiten stehende zu tun, um sowohl Menschen vor einer letztlich leichtfertigen kirchlichen Eheschliessung abzuhalten als auch möglichst vielen Paaren, die - auch durch pastorale Versäumnisse der Vergangenheit - in eine irreguläre Situation geraten sind, einen Weg zurück in die volle Gemeinschaft der Kirche zu eröffnen.