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P. Matthias Gaudron
"Glaubensgärtner" der Piusbruderschaft |
Pater Matthias Gaudron führt den Titel "Dogmatiker der Piusbruderschaft" - ich frage mich immer, ob sich darin schlicht eine barocke Freude an Titeln ausdrückt oder die Bruderschaft auf diese Weise betonen will, dass es in ihren Reihen nur einen Priester gibt, der dieses Fach studiert hat. Meist lese ich dann einige Interviews verschiedener FSSPX-Granden und komme zu dem Ergebnis: es kann sich nur um Grund No 2 handeln.
Wie dem auch sei: Möchte die Bruderschaft eine Stellungnahme abgeben (oftmals in Form einer weiteren Fatwa gegen ein Mitglied des deutschen Episkopats) und hat dabei das Gefühl, das argumentative Niveau von kreuz.net überschreiten zu müssen, wird besagter Pater vorgeschickt (es handelt sich bei Matthias Gaudron übrigens um einen grundsympathischen Kerl, dem man jede Menge Humor zutraut).
Es war abzusehen, dass die Ernennung von Gerhard Ludwig Müller zum Präfekten der Glaubenskongregation ohne besagte Fatwa nicht abgehen würde und natürlich hat das gar nichts damit zu tun, dass Bischof Müller sich wiederholt erdreistet hat, die Bruderschaft daran zu erinnern, dass das Verhältnis katholischer Priestern (auch Vereinigungen solcher Priester) zu katholischen Bischöfen (besonders zuständigen Diözesanbischöfen) vom Gehorsam, dem "Schmiermittel" des kirchlichen Apparates göttlicher Ordnung, geprägt sein sollte.
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Gerhard Ludwig Müller
"Glaubensbock" der römisch-katholischen Kirche |
Auf jeden Fall hat Pater Gaudron dem frisch ernannten Präfekten (von kreuz.net, dem pervers-publizistischen Sprachrohr des Sedi-Flügels der Bruderschaft, flugs zum "Glaubensbock" gekürt)
einige Häresien nachgewiesen, darunter auch seine angebliche Leugnung der "Virginitas in partu".
Erfreulicherweise hat sich in der Blogoezese - zu deren Vorzügen es gehört, dass es dort mehr als einen Dogmatiker gibt - gleich eine theologische Diskussion zu dieser Frage entwickelt. Während Pro Spe Salutis die einschlägigen Äußerungen Müllers
für bedenklich hält, sieht sophophilo die Sache
wesentlich entspannter. Kern des Disputes ist eine Passage in Müllers Dogmatik-Lehrbuch:
"Es geht nicht um abweichende physiologische Besonderheiten in dem natürlichen Vorgang der Geburt (wie etwas die Nichteröffnung der Geburtswege, die Nichtverletzung des Hymen und der nicht eingetretenen Geburtsschmerzen), sondern um den heilenden und erlösenden Einfluß der Gnade des Erlösers auf die menschliche Natur, die durch die Ursünde "verletzt" worden war. […] Der Inhalt der Glaubensaussage bezieht sich also nicht auf physiologisch und empirisch verifizierbare somatische Details".
Diese Formulierung ist in der Tat nicht ganz überzeugend, freilich aus ganz anderen Gründen als dies der Gaudronsche Handbuch-Positivismus vorgibt (man würde zu gerne einmal wissen, nach welchen Kriterien der Piusbruder das Verhältnis der gerade in dieser Frage durchaus unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen der verschiedenen Autoren bestimmt und gewichtet! So einfach ist es mit "der Tradition" im Detail eben nicht!).
Es kann gar kein Zweifel bestehen, dass Müllers Aussage, der Kern der Glaubensaussage beziehe sich nicht auf physiologische Details, völlig richtig ist. Wir glauben, dass Maria "virgo intacta" war und dass dies eine Bedeutung im Heilsgeschehen hat - die physiologischen Details sind demgegenüber selbstverständlich zweitrangig. Spannend wird es auf der Ebene des Zueinanders dieser Ebenen. Denn weder darf aus der Zweitrangigkeit der physiologischen Details auf ihre völlige Bedeutungslosigkeit geschlossen werden (sie sichern die konkrete Glaubensaussage gegen eine Verdunstung ins Nichtssagend-Allgemeine), noch dürfen die Details für das Eigentliche gehalten werden, als wäre der Sinn von Glaubensaussagen das Mirakulös-Spektakuläre.
Die Schwäche von Müllers Formulierung liegt also gerade in der fehlenden Vermittlung dieser beiden Ebenen. Daher klingt seine Bestimmung des Inhalts der Glaubensaussage (der "heilende und erlösende Einfluß der Gnade des Erlösers auf die menschliche Natur") arg allgemein. Anders ausgedrückt: dieser Satz ist auch wahr in völliger Unabhängigkeit von der zur Diskussion stehenden Frage nach der "virginitas in partu".
Müller hätte gut daran getan, den einschlägigen Beitrag Karl Rahners zu Rate zu ziehen (Virginitas in partu", in: Schriften zur Theologie IV, Einsiedeln 1960, 173 ff.), der - als "defensor traditionis" (!) in Auseinandersetzung mit einer von ihm für unzureichend gehaltenen Abhandlung Albert Mitterers - genau diese Vermittlung der "Virginitas in partu" in das Heilsgeschehen vornimmt:
"Biblisch kann der gemeinte Ansatz so formuliert werden: Die konkrete Weise der Geburt erscheint nach dem Zeugnis der Schrift (Gn 3,16) als ein Vorgang, der (neben seiner menschlichen, positiven, gottgewollten Struktur und Sinnhaftigkeit) auch (an sich wie alles andere in der Welt) das Stigma der Sünde und des Todes als der durchgängigen Weltmächte an sich trägt. Ist Maria aber Mutter des erlösenden Wortes Gottes, gehört ihr Gebären als das der Sündenlosen zum Neuanfang der Welt, dann kann ihre Geburt dieses Stigma nicht an sich tragen; diese Geburt muss ‚anders‘ sein. Diejenige, die als von der Konkupiszenz Freie die passiven Vorgänge im Bereich ihres Lebens restlos (wenn auch infralapsarisch) in die Grundentscheidung ihrer Person hineinintegriert, das passiv Erfahrene zum reinen Ausdruck ihrer aktiven Entscheidung zu machen vermag, erfasst das passive Widerfahrnis der (aktiven) Geburt nicht in der gleichen Weise wie diejenigen Menschen, die das an ihnen durch die Mächte des Lebens in der Welt geschehende immer als das Fremde, das Einschränkende, das über sie zum Schaden ihrer Freiheit Verfügende erfahren".
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Sancta Maria
Virgo ante partum, in partu et post partum |
Präziser kann man den "Inhalt der Glaubensaussage" wohl kaum formulieren: Maria ist diejenige, die - weil sie bereits in dem mit Christus angebrochenen neuen Äon steht - "das passiv Erfahrene zum reinen Ausdruck ihrer aktiven Entscheidung zu machen vermag". Wo für die unter der Erbsünde und ihren Folgen stehende Mutter passiv leidet und die Geburt dadurch in ihren Begleiterscheinungen auch Ausdruck der menschlichen Gottferne ist, kann Maria sie in das aktive Mitwirken am Anbruch des Reiches Gottes machen. Da eine Geburt kein rein geistiger Vorgang ist und auch in diesem Fall nicht sein kann (Christus ist wahrer Mensch!), muss das "Andere" dieser Geburt sich auch leiblich auswirken - über die Details dieses physiologischen Vorgangs kann man spekulieren - verpflichtender Bestandteil der Glaubensaussage sind sie nicht.
In den Worten Rahners:
"die Lehre der Kirche sagt mit dem Kern der Tradition: die (aktive) Geburt Marias ist (von dem Kind und seiner Mutter her), so wie ihr Empfangen, von der Gesamtwirklichkeit her (als ganzmenschlicher Akt dieser ‚Jungfrau‘) auch in sich (und nicht nur von der Empfängnis her wie nach Mitterer) dieser Mutter entsprechend und darum einmalig, wunderbar, ‚jungfräulich‘, ohne dass wir aus diesem Satz (der in sich aber verständlich ist) die Möglichkeit haben, sicher und für alle verpflichtend, Aussagen über konkrete Einzelheiten dieses Vorgangs abzuleiten".
Ein im engeren Sinne geistlicher Lackmus-Test sei an dieser Stelle dringend empfohlen: Glaubensaussagen müssen meditiert, betrachtet werden können. Der Rahnersche Text kann auch gelesen werden als Anleitung zu einer solchen vertiefenden Betrachtung der Heilsgeheimnisse - das zeichnet ihn aus und beglaubigt ihn. Nur ein religiös abnormer Charakter kann sich vorstellen, im Mittelpunkt einer solchen Betrachtung stünden unversehrte Hymen und nicht eröffnete Geburtskanäle.