Freitag, 7. Februar 2014

Nun also der Ausverkauf


Der folgende Beitrag ist heute auf kath.net erschienen:

Die Anzeichen haben sich seit einiger Zeit verdichtet, nun wird es offensichtlich: zumindest Teile des deutschen Episkopats haben keine Lust mehr, mit dem Glauben der Kirche gegen den Strom der Welt zu schwimmen.

Nicht mehr „zeitgemäß“ ist es für den Trierer Bischof Ackermann, eine neue Ehe nach einer Scheidung als andauernde Todsünde zu bezeichnen. Ebenso verhalte es sich mit praktizierter Homosexualität und vorehelichen Beziehungen. Um das Bild abzurunden, kommt ihm natürlich auch die Unterscheidung zwischen künstlicher und natürlicher Familienplanung „irgendwie“ künstlich vor.

Eines muss man dem Bischof freilich zugute halten: er scheint realisiert zu haben, dass die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten nicht machbar ist, ohne die katholische Ehelehre und damit die Sexualmoral in toto aus den Angeln zu heben. Das ist immerhin ehrlicher als die theologisch hilflosen Beteuerungen vieler seiner Amtsbrüder (darunter auch des scheidenden Vorsitzenden der DBK), das eine (die Zulassung zu den Sakramenten) ginge mit dem anderen (dem Festhalten an der Unauflöslichkeit der Ehe) zusammen. Bereits unmittelbar nach dem Erscheinen der Freiburger Handreichung hatte ein Kirchenrechtler freudig festgestellt, dass durch dieses Dokument erstmals sexuelle Beziehungen außerhalb einer gültigen Ehe moralisch legitimiert würden.


Die Äußerungen von Bischof Ackermann fallen zusammen mit der Präsentation der deutschen Antworten auf die Fragebögen, die der Vatikan zur Vorbereitung der Bischofssynode weltweit verschickt hat. Dieses Dokument zeichnet sich durch zwei charakteristische Eigenschaften aus: zum einen die „schonungslose“ Beschreibung des Ist-Zustandes (man könnte ihn etwas alltagssprachlich auf die Formel bringen: „Kein Schwein hält sich an die katholische Ehelehre“) und die vollständige Abwesenheit von Selbstkritik. Durchgängig beschreibt das Papier die entsprechenden Bestandteile des kirchensteuer-finanzierten Pastoral-Klapparatismus als vorbildlich. Die Frage, ob z.B. die Jugendpastoral so vorbildlich sein kann, wenn man gleichzeitig eingestehen muss, dass praktisch kein Paar, das vor den Traualtar tritt, vorher nicht „ad experimentum“ zusammengelebt hat, kommt den Verfassern nicht einmal in den Sinn. Stattdessen wird die normative Kraft des Faktischen beschworen.

Gleichzeitig wird verschwiegen, dass es – gerade auch unter Jugendlichen – Gruppen und Bewegungen gibt, die die katholische Ehelehre und die sich daraus ergebende Sexualmoral sehr wohl ernstnehmen. Mit den Zahlen, die man in diesem Bereich zusammenbekommt, kann man freilich nicht mehr in Volkskirche machen und das scheint ja das einzig noch geltende Dogma im deutschen Katholizismus zu sein: sich die eigene gesellschaftliche Marginalität nicht eingestehen zu wollen.

Also geht man nun tapfer den anderen Weg: „Wir können die katholische Lehre nicht völlig ändern, aber Kriterien erarbeiten, anhand derer wir sagen: In diesem und diesem konkreten Fall ist es verantwortbar“. An diesem Satz von Bischof Ackermann ist alles falsch: Die Sicht auf die kirchliche Lehre als etwas, was man (jeder hört das „leider“) nicht völlig ändern kann – als sei diese Lehre nach der übereinstimmenden Meinung des 2. Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren Lehramtes nicht ein Schatz. Ebenso aber auch die Vorstellung, mit einer neuen Art von Kasuistik könne das Grundproblem beseitigt werden. Dieses besteht aus der Sicht der Welt schlicht darin, dass man – jenseits von wenigen noch bestehenden Tabus – nicht mehr bereit ist, die Sexualität überhaupt als einen Ort möglicher Sünde zu sehen.

Von daher läuft auch Ackermanns Grundprämisse – „wir müssen das Verantwortungsbewusstsein der Menschen stärken, ihre Gewissensentscheidungen dann aber auch respektieren“ – ins Leere. „Die Menschen“ lehnen es im Bereich der Sexualität weitgehend ab, eine Instanz zu akzeptieren, vor der sie ihre konkreten Handlungsweisen und die daraus resultierenden Lebenssituationen rechtfertigen müssen. Dies ganz abgesehen von der Tatsache, dass man für die Worthülsen „Verantwortungsbewusstsein“ und „Gewissensentscheidung“ gerne einmal Fundstellen im Neuen Testament genannt bekäme – die Sprache Jesu ist das offensichtlich nicht. Der Herr ist barmherzig und klar zugleich: „Geh hin und sündige nicht mehr“.

Will man die Gedankengänge der Bischöfe verstehen, bietet sich als Interpretationsmuster die Vorstellung an, man gebe nun Randbereiche der Lehre auf, um den Kern zu retten. Doch was ist dieser Kern im Blick auf die Lebenspraxis der Menschen? Den sonntäglichen Gottesdienst besuchen kaum mehr als 10% der Katholiken, die Beichte ist ein Randphänomen, die Berufungen verharren auf einem Tiefpunkt. Wie hat man sich das kirchliche Leben denn vorzustellen, nachdem die „Randbereiche der Lehre“ als Hindernisse aus dem Weg geräumt sind? Jeder macht was er will und die Kirche garniert alles, was sich als „verantwortete Gewissensentscheidung“ ausgibt, mit einer netten kleinen „Segensfeier“. Wer den Verfasser böser Übertreibung verdächtigt, kann sich im DBK-Papier selbst überzeugen: „Auch die Bedeutung von Segnungen für Menschen in schwierigen Lebenssituationen ist – in klarer Abgrenzung zu sakramentalen Feiern – neu in den Blick zu nehmen“.

So sehr man den aus der Frustration über ausbleibende pastorale Erfolge geborenen Wunsch der Bischöfe nachvollziehen kann, weitere Teile der kirchlichen Lehre über Bord zu werfen (wie vieles ist in den letzten 50 Jahren schon still und leise entsorgt worden) – das Schiff wird dadurch nicht leichter werden und auch keine flotte Fahrt aufnehmen. Im Gegenteil: der nun eingeschlagene Weg wird – so ist zu vermuten und natürlich auch zu hoffen – nicht der Weg der Weltkirche sein und man möchte sich noch gar nicht ausmalen, was es bedeutet, wenn die Bischöfe irgendwann von römischen Synoden zurückkehren und – aus der Sicht der synodalen Pressure-Groups und ihrer Lautsprecher in den Massenmedien – mit leeren Händen dastehen.

Es wäre wohl der bessere und ehrlichere Weg, den Versuch der weiteren Simulation von Volkskirche und gesellschaftlicher Relevanz aufzugeben und mit der recht kleinen Schar, die die Kirche in Deutschland lange schon ist, wirklich aufzubrechen.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Vox Populi - Vox Rindvieh

Die deutschen Bischöfe haben die Antworten auf den vatikanischen Fragebogen zu Fragen im Umfeld "Ehe und Familie" in einem Dokument zusammengefasst und nach Rom geschickt.

Nun hat man sich ja schon die ganze Zeit gefragt, was der Sinn des ganzen Unterfangens sein soll und der DBK-Text zeigt nur, wie richtig alle Bedenken waren. Gibt das zu erwartende Umfrageergebnis doch die Gelegenheit zu einem entschlossenen "Hier stehen wir und können nicht anders". Die Logik des Dokumentes ist dabei einfach zu durchschauen: während auf der einen Seite ständig betont wird, wie vorbildlich die kirchlichen Apparate in Deutschland im Bereich der Ehe- und Familienpastoral arbeiten, ist die Beschreibung des Ist-Zustandes auf der anderen Seite schonungslos "ehrlich".

Ein "Versagen" in Deutschland ist auszuschließen und das Problem damit klar - und pseudowissenschaftlich "abgesichert" - an anderer Stelle zu suchen: in der kirchlichen Lehre, die von den Menschen nicht mehr verstanden und akzeptiert wird. Der Charakter des Dokumentes ermöglicht dabei ein wunderbares Spiel: man braucht die unliebsame Lehre nicht in Frage zu stellen, man kann alle Argumente gegen sie einfach als "vox populi" referieren. Hat sich in Rom eigentlich irgendein Mensch vor dem Lostreten dieses Unfugs Gedanken gemacht, wie man aus dem Extrakt der Konferenzen noch irgendetwas Sinnvolles herauslesen will? Wie man "Politik" an dieser Stelle verhindern soll? Oder ist es Zufall, dass die Abschnitte über die "wiederverheirateten Geschiedenen" in Darstellungs- und Sprachduktus ganz verdächtig an einen theologischen Vertreter des "Freiburger Wegs" erinnern?

Dass große Teile auch der Katholiken nicht nach der Ehelehre der Kirche leben, weiß man auch ohne eine solche Umfrage. Ob und inwiefern sich die Ehelehre dort, wo sie gelebt wird, bewährt und Früchte trägt, ist vielleicht der Horizont der Fragen, ganz sicher aber nicht derjenige der zusammenfassenden Antworten der DBK.

Und so liest man - neben dem schier unerträglichen Eigenlob ob des perfekt organisierten Pastoral-Klapparatismus - also das wohlbekannte Geschwätz von der Notwendigkeit der "Niedrigschwelligkeit" (welche Schwelle, fragt man sich da), von einer "Pastoral der Wegbegleitung" und vom Abschied von einer "lebensfeindlichen Gesetzesethik". Das schreiben dieselben verspießerten Deutschmichels, denen der Staat nicht genug Gesetze zur Regelung noch der abseitigsten Lebensbereiche erlassen kann.

Zieht man seinen eigenen Schluss aus den 20 Seiten "Antworten", so identifiziert man im Subtext (und teilweise durchaus auch explizit) die Forderung, sich nicht mehr in das Leben der Leute einzumischen. Kirche stößt - in der bischöflichen Selbstwahrnehmung! - dort auf Akzeptanz, wo sie den Menschen ein paar nette Worte spricht, wenn es ihnen mal nicht so gut geht auf ihrem ach so selbstbestimmten Weg durchs Leben. Kein Leben aus den Geboten und den Sakramenten, sondern ein bisschen religiöse Segens-Sahne und ansonsten: "Bitte nicht stören und nicht nerven".

Oder noch einmal anders: die Kirche muss sich wegen notorischer Akzeptanzprobleme einfach selbst abschaffen, zumindest als das, was sie noch für Johannes XXIII. war: die von Jesus Christus eingesetzte "Mater et Magistra", Mutter und Lehrerin der Völker.