Vorab eine kurze Erläuterung: Ich kann über dogmatische Fragen nicht ohne Herzblut schreiben, weil ich die mangelnde Bereitschaft, sich den eigenen Glauben wirklich von der Kirche schenken zu lassen und ihn nicht (mit wie frommen Absichten auch immer) selbst zu machen, für das Grundübel unserer Zeit halte. Wenn ich also im Folgenden auch einmal deutliche Worte gebrauche, sollte ganz klar sein, dass ich die "frommen Absichten" aller Menschen, die meines Erachtens falsche, weil nicht der Lehre der Kirche entsprechende Positionen vertreten, trotzdem achte und niemanden "ad hominem" treffen möchte.
Pro spe salutis vertritt die Meinung, dass die Übersetzung des "Pro multis" nicht "für alle" lauten kann. Mit dieser Stellungnahme widerspricht er unmittelbar dem päpstlichen Lehramt. Der selige Papst Johannes Paul II. formuliert in seinem Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 2005:
Es handelt sich um ein Opfer, das für »viele« hingegeben wird, wie der biblische Text (Mk 14, 24; Mt 26, 28; vgl. Jes 53, 11-12) in einer typisch semitischen Ausdrucksweise sagt. Während diese die große Schar bezeichnet, zu der das Heil gelangt, das der eine Christus gewirkt hat, schließt sie zugleich die Gesamtheit der Menschen ein, der es dargeboten wird: Es ist das Blut, »das für euch und für alle vergossen wird«, wie einige Übersetzungen legitim deutlich machen. Das Fleisch Christi ist in der Tat hingegeben »für das Leben der Welt« (Joh 6, 51; vgl. 1 Joh 2, 2).Da mir keine neuere lehramtliche Stellungnahme zu dieser Frage bekannt ist, hat sich die Stellungnahme von Pro spe salutis bereits rein formal erledigt - es sei denn er wollte den lehramtlichen Text des gerade seliggsprochenen Papstes für irrig erklären (was ihm angesichts des Charakters dieses Schreibens bei ernsthaften Gewissensgründen freisteht). Er sollte sich dabei aber nicht auf das Schreiben von Kardinal Arinze berufen, in dem dieser den Bischöfen den Wunsch Benedikts XVI. mitteilt, die Gläubigen auf die Verwendung eines "für viele"-Äquivalents in zukünftigen Übersetzungen des Missale Romanum vorzubereiten. Denn in diesem Schreiben wird an keiner Stelle behauptet, dass die Übersetzung "für alle" nicht legitim wäre.
Wie gesagt: das ist eine formale Widerlegung. Auch inhaltlich kann man den Ausführungen von Pro spe salutis leider nicht zustimmen. Seine Argumentation lässt sich in etwa so zusammenfassen: Gott hält für alle Menschen das Heil bereit - dies hat auch Jesus verkündet. Die Heilige Messe ist aber mehr als nur Verkündigung dieses Heilswillens Gottes - in ihr manifestiert sich das Reich Gottes und daher ist es richtig, dass in der Hl. Messe auch nur diejenigen angesprochen werden, an denen sich diese Manifestation des Reiches Gottes vollzieht und die diesen Vollzug auch zulassen.
Der Gedankengang ist spekulativ - woraufhin Pro spe salutis auch hinweist (er bezieht sich auf die Mysterientheologie Odo Casels). Wie weit trägt nun diese Spekulation?
Zunächst befremdet in unserem Zusammenhang die Rede vom Heil, das Gott allen Menschen bereit hält. Es geht bei den Wandlungsworten nicht um den Heilswillen Gottes, sondern darum, dass Jesus Christus am Kreuz unser Heil und das Heil aller Menschen gewirkt hat - Erlösung ist keine Möglichkeit mehr, sondern eine universale Realität ("denn durch Dein Heiliges Kreuz hat Du die Welt erlöst" beten wir im Kreuzweg). Unser Herr und Heiland hat in einem Akt unendlicher, überstömender Liebe sein heiliges Blut für uns (und alle Menschen) vergossen und damit ein für alle mal den Tod, die Folge der Sünde, überwunden. Damit macht er seine Ankündigung wahr: "Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen"(Joh 12, 32). Dieses Ereignis feiern wir in der Hl. Messe. Dass der einzelne Mensch dieses für ihn bereits gewirkte Heil in einer "sub specie aeternitatis" letztlich grotesken Selbstverneinung von sich stossen kann, steht an dieser Stelle auf einem ganz anderen Blatt und auch auf einer anderen Ebene.
Jesu Tod am Kreuz ist kein "Angebot", dem der Mensch sich - quasi auf Augenhöhe mit Gott - verweigern könnte. Das Blut zur Vergebung meiner (und aller Menschen) Sünden ist bereits vergossen! Auf diesen Tatbestand beziehen sich die Wandlungsworte. Und deshalb ist die Übersetzung "für alle" legitim und dogmatisch richtig.
Um es noch einmal auf die konkreten Überlegungen von Pro spe salutis zu beziehen: Das am Kreuz vergossene Blut ist für alle Menschen vergossen "zur Vergebung der Sünden" - daher richten sich die Wandlungsworte auch an alle Menschen (ja, natürlich auch an Hinz und Kunz) und nicht an eine Schar von Auserwählten.
Es bleiben die philologischen Argumente für eine "wörtlichere Übersetzung" - über die ich hier nicht sprechen möchte und auch nicht muss, da ich die Übersetzung "für viele" ja nicht für falsch, irrig oder illegitim halte.
Ein Brief an die Priester ist noch lange nicht eine lehramtliche Aussage. Damit hat sich "Pro spe salutis" rein formal nicht erledigt.
AntwortenLöschenNatürlich ist das Blut Christi für ALLE Menschen vergossen. Aber um gerettet zu werden, gehört auch die gläubige Annahme. Jesus selbst sagt es (vgl. Joh) Und Paulus wird nicht müde immer zu wiederholen: Glaube an Jesus Christus und du bist gerettet.
Und warum heißt es in jeder Bibelübersetzung "für viele" und nur in der Wandlung "für alle"?
Wegen meiner Liebe zum heiligen Thomas hab ich des öfteren mal mit dem Lateinischen zu tun. Schlicht gesagt ist "alle" keine Übersetung von "multi".
AntwortenLöschenPferde sind keine Esel. Deshalb - abgesehen von persönlichen Ansichten in dieser Frage - sollte das Wort "Übersetzung" hier nicht gebraucht werden. Wer immer "multi" ÜBERSETZEN möchte, kann nicht "alle" schreiben. Das ist ein schlichter Vokabelfehler. Deshalb ist "alle" eine Interpretation, nie eine Übersetzung. Oder?
Lieber Annuntiator,
AntwortenLöschenaber natürlich ist eine solche öffentliche Kundgebung des Hl. Vaters (schriftlich an alle Priester der Welt!) eine Aussage des Lehramtes. Zumal Johannes Paul II. die Einwände gegen die Legitimität des "für alle" ja bekannt waren - er also bewusst Stellung bezogen hat in einer dogmatischen Streitfrage. Wenn Sie das bezweifeln wollen, müssten Sie mir erläutern, was für Sie das authentische Lehramt des Papstes sein soll.
Pro spe salutis hatte ja gesagt, dass es nicht "für alle" heissen könne, was eben impliziert, dass diese Übersetzung illegitim ist. Diese Aussage ist durch das Lehramt formal erledigt. Es sei denn, Pro spe salutis kommt nach reiflicher Überlegung zu dem Ergebnis, dass der sel. Johannes Paul II. an dieser Stelle eben im Irrtum war - diese Meinung und Haltung ist ja heute weit verbreitet ...
Lieber Johannes,
AntwortenLöschennatürlich sind Pferde keine Esel, beim Maultier wird es dann schon etwas schwieriger ;-)
Mir ging es ja gerade darum, dass jede Übersetzung Interpretation ist, mal mehr, mal weniger.
Über den konkreten Zusammenhang werde ich gleich noch einmal einen Post schreiben, der das an einer Bibelstelle illustriert.
Die Diskussion kreist stets um "die Hl. Messe an sich" oder um die Frage der wörtlichen Übersetzung.
AntwortenLöschenUnbeachtet bleibt aber meist der sowohl engere als auch weitere Kontext. Bei den Wörtern "pro" und "multis" handelt es sich schließlich um einen winzigen Teil eines einzigen großen Gebetes. In diesem Gebet spricht die Kirche ihre Sinndeutung über den eucharistischen Gaben aus. Dabei wäre es schon ein wenig irrwitzig ihr zu unterstellen, sie wolle mit einem "für viele" im Namen ihres Herrn und Heilandes gleichsam eine Klammer aufmachen in der dann etwa drinsteht "sorry, aber ein paar können nicht dabei sein, weil sie sich dem totalen Heilsangebot verweigern."
Theodor sagte sehr richtig: "Dass der einzelne Mensch dieses für ihn bereits gewirkte Heil in einer 'sub specie aeternitatis' letztlich grotesken Selbstverneinung von sich stossen kann, steht an dieser Stelle auf einem ganz anderen Blatt und auch auf einer anderen Ebene." Es steht aber nicht nur auf einem anderen Blatt, die Gebetsgattung schließt diese Intention aus!
Über die Möglichkeit der Ablehnung des Heils wird an d i e s e r Stelle weder gesprochen noch im Stillen spekuliert. Vor allem letzteres (das stille Spekulieren) schließt der Gebetscharakter aus. Wer mit Klammer betet, betet nicht!
"Für alle" war also eine recht treffende Übersetzung - wiewohl es freilich auch "für viele" hätte sein können. Eine einzig und allein richtige Übersetzung gibt es schließlich nur selten. Hätte man sich damals für "für viele" entschieden, so hätten pastorale Einführungen den Sinn dieser Worte näher erläutern können (der aber nur der sein kann, dass das Blut Christi für alle vergossen wurde), so dass sich bald niemand hätte daran stoßen müssen.
Hingegen sehe ich ein pastorales Desaster für den Fall voraus, wenn sich "für viele" tatsächlich durchsetzen sollte. Die Veränderung von einer in die andere Version ist dann ja nur so zu verstehen, dass die Kirche dieses Opfer ehedem für alle vollzog, nun aber die Reihen ein wenig gelichtet sehen will. Da man sich einmal für eine Version der Wiedergabe der Herrenworte entschieden hat, darf man sie nach ein paar Jahren nicht ohne Not mit einer anderen Version vertauschen, die zweifellos zu Missverständnissen führen wird.
Hi Theodor, ich würde nicht sagen, das katholische Lehramt habe "für alle" geschrieben. Hier handelt es sich um einen deutschen Weg. Das kirchliche Lehramt hat in seiner höchsten Autorität, in der des Papstes, gebeten, einen Fehler zu ändern.
AntwortenLöschenHallo Johannes,
AntwortenLöschenes handelt sich nicht um einen "deutschen" Sonderweg - in einer Vielzahl von landessprachlichen Messbüchern wurde "für alle" (im Italienischen z.B. "per tutti") verwendet. Alle diese Übersetzungen wurden vom Hl. Stuhl approbiert.
Das kirchliche Lehramt hat in seiner höchsten Autorität diese Übersetzung als "legitim" bezeichnet (Johannes Paul II.).
Benedikt XVI. hat nun angekündigt, dass in künftigen Neuasugaben eine wörtlichere Übersetzung verwendet werden soll. Ein "Fehler" ist die bisherige Übersetzung "für alle" deshalb nicht.