Donnerstag, 2. Juni 2011

Die Blogoezese und der Dialogprozess

Ein Beitrag von Peter Winnemöller über den Dialogprozess hat mich ins Grübeln gebracht, weil ich ihn zwar verstehen, seiner Betrachtungsweise aber nicht folgen kann.

Mal ganz frei von der Leber: ich bin ein "Fan" des Dialogprozesses, genauer gesagt, der Idee eines solchen Prozesses. Das liegt daran, dass ich eines der größten Probleme unserer Kirche darin sehe, dass es in ihr einen Graben gibt, über den hinweg kein wirkliches Gespräch mehr stattfindet.

Auf der einen Seite des Grabens stehen jene, die seit den 70er Jahren auf "Fortschritt" programmiert sind. Der Inhalt dieses Fortschrittsgedankens ist oft sehr schwammig, vielleicht lässt er sich am ehesten auf die Formel bringen "auf die Menschen zugehen". Das ist per se nichts Schlechtes - wie sollte Verkündigung und Evangelisierung anders funktionieren? Viele Menschen (gerade auch Priester), die sich diesem Fortschrittsgedanken verschrieben haben, scheinen immer wieder die Erfahrung gemacht zu haben, dass viele Elemente der Tradition der Kirche (Glaubensaussagen, moralische Normen, Ausdrucksformen in Liturgie und Frömmigkeitslieben) für den heutigen Menschen sperrig, d.h. hinderlich sind. Deswegen neigen sie dazu, diese Elemente als Hindernis zu sehen und möglichst "wegzulassen", um den eigentlichen Kern der kirchlichen Botschaft möglichst vielen Menschen vermitteln zu können. Die "Hüter der Tradition" (am greifbarsten in "Rom") sind daher aus dieser Sicht der wesentliche Grund, warum die Kirche keine "Erfolgsstory" ist.

Auf der anderen Seite des Grabens stehen die Anhänger der "Tradition". Sie sehen die Arbeit der "Fortschritts"-Kirche als permanente Preisgabe wertvollster Güter. Mit scheinbar besten Gründen verweisen sie auf den Misserfolg des Aggiornamento-Programms der "Konzilskirche". Nichts, aber auch gar nichts ist besser geworden: die Kirchen werden immer leerer, die Glaubensweitergabe funktioniert nicht mehr, die Berufungen versiegen und das gesellschaftliche Gewicht der Kirche geht gegen Null. Das Rezept ergibt sich daraus mit bestechender Klarheit: die Uhr zurückdrehen auf einen Punkt, bevor dieser ganze Fortschritts-Wahn begonnen hat. Wenn man das täte, wäre die Kirche wieder eine "Erfolgsstory".

Ich fürchte, dass beide Seiten irren. Auch ohne die Hindernisse aus "Rom" würden die durchschnittliche Pfarrgemeinde 95% der Kommunionkinder und Firmlinge nicht als dauerhafte Gemeindemitglieder gewinnen können. Und gleichzeitig wird auch die Alte Messe in der Regel vor einer überschaubaren Anzahl an Mitfeiernden gelesen - und dies liegt nicht an der Obstruktion durch die bösen deutschen Bischöfe.

Auf beiden Seiten des Grabens sollte man sich eingestehen, dass die Zeichen der Zeit für die Kirche nicht auf "Erfolgsstory" stehen. Vor allem aber sollte man ein Gefühl dafür bewahrt haben, dass der von mir beschriebene Graben Teil der auf allen Seiten beschworenen Krise der Kirche ist. Wie soll die Kirche zur Welt sprechen, wenn in ihr selbst nicht miteinander gesprochen werden kann? Wie soll in kritischen Zeiten Verkündigung gelingen, wenn man nicht einmal in der Lage ist, die Kräfte zu bündeln?

Deshalb bin ich "Fan" eines Dialogprozesses. Und ich finde, dass die Blogoezese eigentlich der ideal Ort sein müsste, diesen Dialog zu führen.

Wer macht mit?

2 Kommentare:

  1. Grosse Zustimmung von meiner Seite! Und ich durfte die Erfahrung machen, daß ein "Dialogprozess" sehr viel Freude macht, wenn sich die Leute auch mal von Angesicht zu Angesicht treffen. Leider wird viel in althergebrachten Kategorien und Schubladen gedacht, in einem (öffentlich im Internet einsehbaren) Protokoll der Sitzung eines Priesterrats ist z.B. von der "rechten Mafia" zu lesen, von der man sich "nicht einschüchtern" lassen dürfe u.s.w., es sind halt zum Teil sehr, sehr breite Gräben, die es zu überwinden gilt.

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  2. "Wie soll in kritischen Zeiten Verkündigung gelingen, wenn man nicht einmal in der Lage ist, die Kräfte zu bündeln?"

    Das ist genau die Frage, die ich mir auch stelle. Mit Ausgrenzung ganz sicher nicht. Und genau das ist es, was ich derzeit als Tendenz erkenne, nämlich eine Ausgrenzung. Es werden die (durchaus sehr kleinen) Gruppen ausgegrenzt, die sich nichts desto weniger (eben auf ihre Weise) entschieden für die Verkündigung einsetzen.
    Warum kann man die nicht mit ein wenig Unterstützung integrieren und ihr Ding machen lassen?

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